Bismarck und der Kaiser...

Das Ringen um den Kanalbau

Willkommen in Fischerhütte

Die Kanalgeschichte

Über 125 Jahre ist es schon her, dass Bismarck den Kaiser Wilhelm überreden konnte, den Kanal zu bauen.

Endlich eine kurze Verbindung zwischen Nord- und Ostsee, zwischen Hamburg und Kiel!

Aber halt - so neu war die Idee ja gar nicht! Schon im 14. Jahrhundert wurden Lösungen gefunden, mit Booten Höhenstufen in regulierten Wasserläufen zu überwinden: Die Flussregulierung erfolgte über Wehre, und diese wurden so verengt, dass die Wassertiefe reichte, um Boote darüber rutschen zu lassen bzw. hinauf zu ziehen. Solche Vorläufer von Schleusen werden als Stauschleusen bezeichnet. So war es möglich geworden, Wasserwege, Flussläufen folgend, über unterschiedlich hoch gelegene Landstriche zu bauen. Nun brauchte man "nur noch" über die Wasserscheiden hinweg einen Verbindungskanal zwischen den Oberläufen verschiedener Flusssysteme zu graben und konnte so Trave und Elbe, Rhein und Rhone usw. verbinden. Die ersten Kammerschleusen, wie wir sie heute kennen, wurden auch schon um 1500 konstruiert, entwickelt von einem "Universalingenieur" seiner Zeit, Leonardo da Vinci.

Mit der technischen Machbarkeit kamen Träume, Ideen und Projekte...

Ein Wasserstraßennetz war damals ja die einzige Alternative zu Laufen und Reiten, so dass die "Verkehrs-Ingenieure" jener Zeit ihre Kreativität auf die Schiffbarmachung und Vernetzung von Gewässern richteten. In Frankreich und in England entstanden im 19. Jh. Kanalnetze hoher Dichte, vergleichbar mit heutigen Bundesstraßennetzen. Im damaligen Gebiet des heutigen Deutschlands, zerklüftet in viele adlige Herrschaftsgebiete, blieb es eher bei Einzelprojekten.

Der heutige Elbe-Lübeck-Kanal entstand in seiner damaligen Form als "Stecknitzfahrt" schon 1398, damals noch mit Stauschleusen, und erlaubte über die Elbe eine Verbindung zwischen Nord- und Ostsee, es folgte 1529 der Alster-Trave-Kanal. Treibende Kraft hinter diesen Entwicklungen war die Stadt Lübeck, Zentrum der Ostseeschiffahrt.

Die Franzosen wollten später sogar die Seine mit der Ostsee verbinden! Das plante um 1812 kein geringerer als Napoleon. Doch daraus wurde nichts, die Franzosenherrschaft ging zu Ende...

Die erste direkte Verbindung zwischen Kieler Bucht und Nordsee wurde dann, nach vielen Jahrzehnten verworfener Ideen und Pläne, von 1777 bis 1784 geschaffen. Sie hieß "Schleswig-Holsteinischer Kanal" und kostete 2,5Mio Reichstaler, 12 mal so viel wie veranschlagt!

Der Eiderkanal

Hier wurde weitgehend der Verlauf der Eider genutzt, die sich ja aus dem östlichen schleswig-holsteinischen Hügelland ein mal quer durch bis zur Nordsee schlängelt. Die Eider wurde mit Schleusen schiffbar gemacht, und über eine Scheitelhaltung mit der Kieler Bucht verbunden. Zwischen Rendsburg und Tönning existiert diese Wasserstraße noch heute, sie ist bei Oldenbüttel durch den Giselaukanal mit dem NOK verbunden.

Diese Verbindung war für Schiffe nutzbar, die heute eher als Boote bezeichnet würden, mit Tiefgängen bis ca. 2m. Sie diente als Verbindung des Binnenlandes mit den Seehäfen, aber für seegehende Schiffe waren sie untauglich.

In den folgenden Jahrzehnten kamen immer neue Planungsideen auf, um die Verbindung für seegehende Schiffe zu ertüchtigen. Und jeder Vorschlag wurde heftig diskutiert, verändert, verworfen - je nach lokalen Interessen.

Erst unter dem von König Wilhelm I ernannten Ministerpräsidenten Otto von Bismarck, nach Einbindung der norddeutschen Länder in den preußischen Staatsverband und dem Aufbau einer preussischen Marine, bekam der Kanal starken Anschub. Bündnisse wurde geschmiedet, Finanzierungsmodelle erarbeitet und verworfen, ein Canal-Comité gegründet, immer neue Streckenvorschläge kamen auf den Tisch. Militärische, wirtschaftliche und politische Interessen stritten miteinander.

1864 erstellte der geheime Oberbaurat Lentze den ersten Plan, der im Westen ungefähr dem heutigen Verlauf entsprach, im Osten allerdings sollte der Kanal in die Eckernförder Bucht auslaufen.

Erst der nach Gründung des deutschen Nationalstaates 1871 und der Ernennung Wilhelms zum Kaiser erreichte Frieden sollte dann aber den Rahmen schaffen, in dem ein so großes Projekt zu verwirklichen war. Immer noch stritt man, ob es sich eher um einen Handelskanal nach Eckernförde oder einen Marinekanal nach Kiel werden sollte. Vor allem aus finanziellen Gründen richtete sich der Fokus dann auf die Variante des Marinekanals. Doch konkrete Beschlüsse ließen weiter auf sich warten.

Einen weiteren Anschub erfuhren die Kanalpläne 1879 durch den Hamburger Reeder Hermann Dahlström, der eine wirtschaftliche Ertragsfähigkeit des Kanalbetriebes vorrechnete. Er hatte hier wieder die "Handelsvariante" nach Eckernförde zugrunde gelegt.

Dennoch sollte es noch bis 1885 dauern, bis Bismarck die Front der Kanalgegner aus Ostseereedern, Ministerien und militärischer Führung, u.a. in Gestalt des Generalfeldmarshalls von Moltke, der für den Aufbau einer zweiten Flotte kämpfte, überwunden hatte. Der Lentze-Plan wurde nun wieder auf Kiel ausgerichtet, um die Militärführung zu gewinnen. Hierbei bediente sich Bismarck auch der Fürsprache Kaiser Wilhelms gegenüber der blockierenden militärischen Führung, der in einem Schreiben die militärische Bedeutung des Kanals betonte, wohl wissend, dass er eigentlich politischen und wirtschaftlichen weit mehr als militärischen Interessen dienen sollte und würde.

Nun endlich wurde ein entsprechendes Gesetz im Reichstag vorgelegt und nach heftiger Diskussion am 25.2.1886 verabschiedet.

Der Nordostseekanal

Am 2.Juni 1887 war es dann so weit: Die feierliche Grundsteinlegung für den Kanal in Holtenau! In Anwesenheit des mittlerweile 90-jährigen Kaisers, jedoch ohne Bismarck.

In den folgenden 8 Jahren wurden 80 Mio. cbm Erdreich bewegt und 156 Mio. Mark investiert. Am 21.6.1895 erfolgte dann die feierliche Eröffnung mit Durchfahrt der kaiserlichen Staatsyacht mit Kaiser Wilhelm II an Bord.

Zur Finanzierung führte der Kaiser 1902 die Schaumweinsteuer ein, die bis heute besteht (aber nicht mehr dem Kanal zugute kommt). Die mit 156 Mio Goldmark veranschlagten Baukosten wurde tatsächlich eingehalten! Sie entsprechen ca. 2,8 Millarden Euro.

Für den Bau wurden fünf Bauämter eingerichtet, je eines für die Schleusen an beiden Enden, drei für die Strecke dazwischen. Die Schleusenbauämter beschäftigten 8 Techniker und Verwaltungsleiter. Insgesamt wurden 340 Mitarbeiter in der Kanalverwaltung beschäftigt, dazu Büro- und Aufsichtspersonal, Maschineningenieure, ein Marinearzt und sechs Offiziere als Inspektoren für die Arbeiterlager.

Neben den Planungsarbeiten mussten Grundstücke gekauft und widerspenstige Eigentümer enteignet werden. Umfassende Planungen beschäftigten sich mit der Landesentwässerung: Der Kanal ist bis heute dafür zuständig, das Regenwasser aus weiten Teilen Schleswig Holsteins über Pumpwerke aufzunehmen und ins Meer abzuleiten.

1888 waren diese Aufgaben weitgehend gelöst und die Bauarbeiten wurden ausgeschrieben. Die Bauunternehmer wurden verpflichtet, die deutschen Sozialgesetze wie das Krankenversicherungsgesetz von 1881 einzuhalten, arbeiterfreundliche Einrichtungen zu unterhalten und eine Kündigungsfrist von 8 Tagen zu gewähren, außer bei Trunksucht und Widersetzlichkeit. Sie durften aber keine Arbeiter beschäftigen, die der anarchistischen oder der sozialdemokratischen Partei angehörten oder deren Anliegen Vorschub leisteten.

Ab Juni 1888 wurde gebaggert! Von 1890 bis 1894 waren im Schnitt mehr als 7000 Arbeiter vor Ort. Sie kamen aus allen preußischen Provinzen, aber auch aus Polen, Rußland, Italien, Dänemark und wohnten in 8-Bett-Kammern in von der Kanalverwaltung bereitgestellten und verwalteten Baracken entlang der Strecke. Ihre Löhne waren weit über dem damals üblichen Durchschnitt, sie arbeiteten für über 100 Unternehmer. In den Barackenlagern gab es auch ein Arztzimmer, Duschen, eine Kantine mit Küche, eine Wäscherei, einen Laden und ein Bethaus. Die reichliche Verpflegung entsprach der für kämpfende Truppen. 90 Arbeiter kamen zu Tode, 629 erlitten entschädigungspflichtige Verletzungen. ie Unternehmer zahlten insgesamt 1,5 Mio. Mark in eine eigens gegründete Berufsgenossenschaft als Unfallversicherung ein.

Zum ersten Mal wurden in größerem Umfang Dampfmaschinen für das Baggern und den Materialtransport eingesetzt, so waren 450 Arbeiter als Heizer beschäftigt. Bei den Baggern handelte es sich meist um Eimerkettenbagger, 66 an der Zahl. Diese konnten auf Schienen am zukünftigen Ufer entlangbewegt werden und schabten sich von dort aus in die Tiefe.

In der damaligen Ausführung bekam der Kanal eine Fahrrinnentiefe von 9m auf mindestens 22m Breite und eine Wasserspiegelbreite von 67m. Die Schleusen wurden als Doppelschleusen ausgeführt mit einer Kammergröße von 15m Länge und 25m Breite. Es wurden 6 Ausweichstellen von je 450m Länge vorgesehen.

...wird fortgesetzt...